David Copperfield

Charles Dickens

Das Hörspiel erzählt die Lebensgeschichte von David Copperfield, seine Entwicklung vom Waisen zum anerkannten Schriftsteller.

 

Genre: Belletristik
Hörspiel, Laufzeit ca. 6 Std. 51 Min.
Februar 2008

 

Online bei audible

 

Als Junge leidet David unter seinem grausamen Stiefvater, Mr. Murdstone, der nach dem Tod von Davids leiblichem Vater in sein Leben tritt. Bis dahin hatte David eine glückliche Kindheit mit seiner fürsorgenden Mutter und seiner Kinderfrau Peggotty. Bei ihnen und bei der Familie der Peggottys in Yarmouth lernte David menschliche Wärme kennen. Nun aber wird David von Mr. Murdstone geprügelt und schließlich fortgeschickt, auf eine Privatschule: Salem House. Dort ist Davids Lage zunächst nicht besser. Der Schuldirektor, Mr. Creakle, ist ein hartherziger Mann, unter dessen Knute David ebenso leidet wie zu Haus. Aber David findet an der Schule auch Freunde: den weltläufigen jungen Steerforth und Tommy Traddles.

Davids Mutter stirbt indessen infolge der seelischen Grausamkeiten, die sie unter Mr. Murdstone und Davids Stieftante Miss Murdstone zu erleiden hat. David wird von der Schule genommen – hat künftig zu arbeiten. Er landet als Laufbursche in einer Londoner Weinhandlung und lebt bei dem gutmütigen, notorisch überschuldeten Mr. Micawber. Als Micawber ins Schuldgefängnis kommt, flieht David aus London und sucht Unterschlupf in Dover, bei seiner Tante Betsey Trotwood, die einst das Haus verließ, weil Davids Mutter einen Jungen und kein Mädchen zur Welt brachte.

Betsey Trotwood aber kümmert sich um ihn. Sie verteidigt David sogar gegen den Stiefvater, der ihn als billige Arbeitskraft zurückholen will. David lebt fortan in Canterbury, geht dort zur Schule, wird Gehilfe bei Betsey Trotwoods Anwalt Mr. Wickfield, dessen Tochter Agnes er später heiratet. Zunächst aber trifft er bei einem Besuch in London seinen alten Schuldfreund Steerforth wieder und macht mit ihm einen Abstecher zur Familie seines Kindermädchens Clara Peggotty nach Yarmouth – wo die Peggottys in einem Hausboot leben. Steerforth, den David in seiner Kindheit bewunderte, entpuppt sich jedoch als fragwürdiger Charakter. Er fängt ein Verhältnis mit Emily, der Nichte Peggottys an, verführt sie – und läßt sie sitzen. Das bricht Emily, die eigentlich mit Ham Peggotty verlobt war, das Herz. Ihre Ehre ist zerstört. Sie landet in einem Londoner Bordell, aus dem ihr Vetter Dan sie rettet – sie wandern zusammen nach Australien aus.

Unglück befällt auch Betsey Trotwood: wegen übler Machenschaften seines Kanzleigehilfen Uriah Heep gerät Mr. Wickfield in wirtschaftliche Schwierigkeiten und darüber verliert Betsey Trotwood ihr Vermögen. David wird gezwungen, vom Kanzleiwesen zum Journalismus zu wechseln – mit Erfolg. Als er seinen alten Freund Mr. Micawber wiedertrifft und diesen als Schreiber bei Mr. Wickfield unterbringt, gelingt es Micawber – beinahe zufällig – die Machenschaften Uriah Heeps aufzudecken.

Nun lösen sich die Handlungsfäden: Steerforth kommt bei einer Schiffshavarie um. Ham Peggotty versucht ihn zu retten – und stirbt ebenfalls. Die Peggottys und die Micawbers wandern allesamt nach Australien aus. David, der zwischenzeitlich mit der hübschen aber lebensuntüchtigen Dora Spenlow verheiratet war, die nach kurzer Ehe stirbt, findet endlich heraus, daß sein Herz Agnes Wickfield gehört. Ende gut – alles gut.

Die generationenübergreifende Handlung des knapp 1000-seitigen Romans „David Copperfield“ kommt in der 7einhalbstündigen Hörbuchfassung des WDR von 1957 vor allem in den Kapiteln zu Davids Jugendjahren zur Sprache. Kaum ein Stoff ist geeigneter für die Umsetzung der großen, theaternahen Hörspielinszenierungen jener Zeit, denn damals war das Hörspiel ein Familienereignis. Es verzichtete auf Experimente. Es erzählte. Es baute Stimmung auf. Es verstörte nicht. Das kann man sicher alles gegen ein Hörspiel einwenden – aber die Ästhetik der erweiterten Nachkriegszeit hatte im Falle von Literatur­vertonungen einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: sie drängte den Text nicht beiseite, um ihm zu zeigen, was die Kunst sonst noch alles kann. Das klassische erzählende Hörspiel ist zuallererst Literatur-Hörspiel. Es ordnet sich der Literatur unter, nicht umgekehrt.

So entwickelt sich die erzählte Handlung des Hörspiels eng am Text des Buchs. Sie wird vorgebracht in jenem Duktus, der den hochmoralischen Anspruch des viktorianischen Zeitalters in den Moralismus der 50er Jahre einbindet. Was man – womöglich – in den späten 60er/70er Jahren schlimm fand, weil „konservativ“, vielleicht gar reaktionär. Aber diese ideologischen Verbissenheiten – die nur in Verkennung der progressiven Aspekte im Werk Dickens‘ möglich waren – spielen heute kaum noch eine Rolle. Heute ist das Hörspiel – zu Recht – als Klassiker gerühmt. Es hat einen ganz eigenen Charme, den man Kaminfeuer-Charme nennen könnte. Da spielt die Tatsache eine Rolle, dass man selbstverständlich hört, wie alt diese Aufnahme ist – ohne, daß dies technisch fragwürdig wäre. Und es ist die Art des ergriffenen, im besten Sinne theatralischen Sprechens: Wer dem Hörspiel lauscht, wird Parallelen zu Filmen wie „Vom Winde verweht“ oder „Krieg und Frieden“ finden. Das große Hörspiel der damaligen Zeit konnte den Rahmen großer Filme sehr viel leichter aufspannen als die Filme selbst. Abendfüllende Hörspiele gehörten damals zur „Grundversorgung“ – und sie wurden gern gehört. Die inszenierenden Elemente – in London, in den Stuben, am Meer bei Yarmouth – sie wurden sehr dezent gesetzt, geben der Sprache ein Fundament.

Um die Popularität des Genres damals zu erklären, muss man zweifellos auch die Besetzung des Hörspiels heranziehen. Die Sprecher bei „David Copperfield“ gehörten allesamt zu den Großen des damaligen Ohrenkino: der Erzähler Helmut Peine war ein bekannter Hörspielsprecher und spielte in der Kult-Serie „Stahlnetz“ mit. Richard Münch war in diversen Edgar-Wallace und Jerry-Cotton-Filmen zu sehen, spielte in „Der längste Tag“ und brachte mit Dieter Hildebrandt, Wolfgang Neuss und Werner Fink Kabarett ins Fernsehen. Walter Richter ist bekannt als der erste – und für viele beste – Tatort-Kommissar Trimmel. „Die Stimme“ Christian Brückner spielte mit: damals 14 Jahre alt und vermutlich in einer seiner ersten Rollen. Lotte Koch war Filmpartnerin von Hans Albers gewesen und stand neben Gustav Gründgens und Zarah Leander vor der Kamera. Kaspar Brüninghaus hat bei zahlreichen großen WDR-Hörspielproduktionen mitgewirkt. Alf Marholm war seit den 50er Jahren ein bekannter Schauspieler – und wurde später noch einmal sehr populär als Verwaltungsdirektor Mühlmann in der ZDF-Serie „Schwarzwaldklinik“. Legendärer jedoch waren seine Auftritte in „Das Halstuch“ oder „Das Totenschiff“. Ingeborg Christiansen war noch in den 80er Jahren ein Star – in der populären Serie „Das Erbe der Guldenburgs“. Und der Regisseur des Hörspiels, Kurt Meister, machte seinem Namen mit zahlreichen großen Hörproduktionen, u.a. Hörspielen zu Karl May („Old Surehand“, „Der Schatz im Silbersee“, „Winnetou“) sowie der Krimi-Hörspielreihe „Reporter Rex Rendal“ alle Ehre. Das Hörspiel war schon immer ein Treffpunkt für die Großen der Zunft.

Den eigentümlichen Charme von „David Copperfield“, seine Patina, macht ganz wesentlich auch das unvergleichlich falsche „Englisch“ der damaligen Inszenierung aus. Dies ist ebenfalls ein Signet der 50er Jahre und vielleicht ein „Manko“ – gipfelnd in der unvergleichlichen Aussprache Uriää Hiip . Man gewöhnt sich jedoch schnell an solche „kleinen Macken“ und stellt bald fest: Korrektheit in der Aussprache würde im Gesamtduktus sogar stören. Ein merkwürdiges Phänomen, und dennoch verständlich, grade weil das Hörspiel als Produkt seiner Zeit angenommen wird.

Und diesen Umstand akzeptiert sogar die Fachkritik: Eine schöne Bearbeitung aus den 50er Jahren mit wunderbaren Sprechern“, schreibt sie: „Die Kindheit Copperfields wird recht ausführlich erzählt, die Episoden aus dem Leben des erwachsenen Copperfield sind auf dramaturgische Schließung hin zusammengekürzt. Hat eine Wiederaufnahme in den Sendeplan des WDR durchaus verdient.“

 

Die Mitwirkenden

  • Helmut Peine: Erzähler
  • Wolf Osenbrück: David Copperfield
  • Hans Jörg Knaben: David Copperfield (als Erwachsener)
  • Ingeborg Christiansen: Klara Copperfield
  • Trudik Daniel: Betsey Trotwood
  • Richard Münch: Mr. Micawber
  • Lilly Towska: Emma Micawber
  • Michael Pfeiffer: Steerforth
  • Peter Lieck: Steerforth (als Erwachsener)
  • Gerda Maurus: Lady Steerforth
  • Harald Meister: Traddles
  • Lotte Koch: Peggotty
  • Walter Richter: Dan Peggotty
  • Annekathrin Streicher: Emily
  • Hildegard Krost: Emily (als Erwachsene)
  • Klaus-Dieter Fröhlich: Ham
  • Willy Zickel: Ham (als Erwachsener)
  • Kaspar Brüninghaus: Mr. Murdstone
  • Edith Leube: Jane Murdstone
  • Kurt Beck: Uriah Heep
  • Ruth Pera: Mrs. Heep
  • Karl-Maria Schley: Dr. Wickfield
  • Ute Zinn: Agnes
  • Katinka Hoffmann: Agnes (als Erwachsene)
  • Hermann Pfeiffer: Mr. Creakle
  • Reta Rena: Martha
  • Alf Marholm: Littimer
  • Herbert Gillessen: Jim
  • Heinz von Cleve: Doktor Chilip
  • Kurt Meister: Mr. Dick
  • Heinz Schacht: Quinion
  • Wolf Schlamminger: Knecht
  • Bernd M. Bausch: Doktor Waterbrook
  • Eugen Lundt: Landbote
  • Harry Grüneke: Schuldiener
  • Frank Barufski: Schuhmacher
  • Herbert Hennies: Händler
  • Anni Buchholz: Mrs. Gummidge
  • Christian Brückner: Wilkins
  • Hans Langel: Kutscher
  • Hans Rehberg: Bursche
  • Hermann Holve: Kellner
  • Ingeborg Stutz: Janet
  • Judith Mildner: Zofe
  • Wilhelm Grimm: Georges